Wie man sich in Europa die eigene Geschichte erzählt
Notizen von einer Reise durch den Alten Kontinent
Die Europäische Union, die von ursprünglich 6 auf 25 Mitglieder angewachsen ist, hat ein Identitätsproblem. Sie ist keine gewachsene Gemeinschaft, die sich durch eine gemeinsame Geschichte legitimiert. Die Autoren der künftigen Verfassung sind “überzeugt, dass die Völker Europas – bei allem Stolz auf ihre Identität und nationale Geschichte – entschlossen sind, […] sich eine gemeinsame Geschichte zu schmieden”. Aber lässt sich ohne ein gemeinsames Gedächtnis eine Union zusammenschweißen? Wenn die einzelnen Länder an ihrer ethnozentrischen Sicht der Vergangenheit festhalten, werden sie auch künftig noch Herrscher feiern, die in den Augen der Nachbarvölker womöglich Henker waren, wie zum Beispiel Napoleon. Doch diese Sicht dominiert nach wie vor in den nationalen Museen und Erinnerungsstätten, die jedes Jahr von Millionen Menschen besucht werden.